Singapur / Thailand, Musik & Klang, 2020

Tara
Transitory

Portrait
Photo: Irma Fadhila

Fingerspitzen strecken sich sanft zueinander, eine Wange berührt eine andere, ein Arm wird vorsichtig von einer behutsam führenden Hand ausgestreckt, Füße schwirren umeinander in beinahe unmerklicher Liebkosung… Tara Transitory setzt Berührung, Bewegung, Resonanz, Nähe und Klang ein, um Wechselbeziehung, Verletzlichkeit und Kollektivität zu zelebrieren. Ihre Performances versuchen, räumliche und körperliche Klangbeziehungen mit und zwischen Zuhörer*innen aufzubauen, getrieben von dem Wunsch, uns dafür zu öffnen, mit dem Selbst, mit Maschinen und Raum zu hören, und letztendlich in einem gemeinschaftlichen Körper aufzugehen.

Nach einer Phase des Pendelns zwischen Berlin und Chiang Mai im nördlichen Thailand, wo sie 2016 den Performance-Raum e x t a n t a t i o n gründete, ließ Tara ihre Wurzel in Berlin austreiben, wo sie sich auf Nguyễn + Transitory, die Kollaboration mit ihrerm Partnerin Nguyễn Baly, konzentriert. Sie arbeiten hauptsächlich mit modularen Synthesizern und analogen Tonband und ihr erstes gemeinsames Projekt, Bird Bird, Touch Touch, Sing Sing, wurde 2019 als umfassende Klangperformance uraufgeführt. Dabei betrachten sie, wie sich Frequenzen, die Körperlichkeiten des Klangproduzierens und dessen dabei entstehende Vibrationen zu kognitiven Erinnerungen, abgespeicherten Gefühlen und Katharsis verhalten. Können derlei universale Gefühle Verbindungen zwischen den einzelnen Körpern in einem Publikum aus Fremden hervorbringen? Können Klang, Nähe und Berührung so moduliert werden, dass sie gesteigerte Formen von verkörpertem, gemeinsamem Zuhören ermöglichen? Welche Unsicherheiten und Schwächen können, wenn überhaupt, im Rahmen einer öffentlichen Performance auftreten? Welche Möglichkeiten werden geschaffen (oder verwehrt), wenn ein Paar über einen längeren Zeitraum intensiv miteinander arbeitet? Mittels dieser fortdauernden akustischen Erforschung, experimentieren Nguyễn + Transitory mit radikalen zwischenmenschlichen Beziehungen oder, wie die Künstler*innen es ausdrücken, mit „dem Versuch, sich wieder mit verlorenem Zauber zu verbinden.“

Bereits in ihren vergangenen Arbeiten und Performances, spürte Tara gezielt den Zwischenräumen nach. Als One Man Nation erkundete sie jahrelang eine nomadische und künstlerische Transidentität, die sich dem Status Quo der Trennungen und Gruppierungen, die uns von modernen Gesellschaften und Nationalstaaten aufgezwängt werden, widersetzt. Sie bewegt sich weiterhin durch Klang, Synthese, Lärm, Rhythmus und Performance aus einer weniger kolonialen Perspektive, auf der Suche nach Wegen, Hierarchien und institutionelle Machtstrukturen zu biegen, Eigentum in Frage zu stellen (durch die strikte Weigerung, Samples zu benutzen), sowie angelernte und überstrapazierte Kategorien und Stichwörter beim Sprechen über Musik zu vermeiden. Damals wie heute vertont ihre Arbeit ihre eigenen persönlichen und gesellschaftlichen Grenzen in dem Versuch, sie für die Grenzbereiche des Möglichen zu öffnen.

Tara arbeitet vielfach in Kollaborationen, darunter mit Audrey Chen, Kakushin Nishihara, Chaiwat Prumprajum, Tzu Ni, Shian Law, Thanisa Fah, Truna, Wukir Suryadi (Senyawa), Iman Jimbot (The Future Sounds Of Folk) und Pierre Bastien. Sie ist international aufgetreten, unter anderen beim CTM Festival (Berlin), donaufestival (Krems), Gaite Lyrique (Paris), im Guggenheim Museum (Bilbao), TPAM (Yokohama), Museum of Contemporary Art (Taipei), bei den Wiener Festwochen (Vienna), und bei SAVVY Contemporary (Berlin).

Text: Taïca Replansky
Übersetzung: Anna Jäger

Vergangen

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