Großbritannien, Bildende Kunst, 1974

Eduardo
Paolozzi

Eduardo Paolozzi (geb. 1924 in Edinburgh, gest. 2005 in London) war 1974 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP). Er gilt mit Richard Hamilton als wichtigster Vertreter der Britischen Pop Art, stellte seit 1947 in London und Paris (wo er Giacometti in seinem Studio besuchte) aus und lehrte in London Textildesign und später Plastik. Bekannt wurde er vor allem mit Collagen und Skulpturen, die von Maschinenzeichnungen, Naturgeschichte, Surrealismus und Futurismus inspiriert sind, sowie mit Entwürfen für öffentliche Monumente. Bereits 1964 hatte er eine Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York und nahm an wegweisenden Ausstellungen wie This is Tomorrow 1956 an der Whitechapel Gallery teil. Paolozzi ist außerdem Gründer des Krazy Kat Arkive an der University of St Andrews (heute im Blythe House Archive & Library Study Room in London), einem Archiv zur Populärkultur des zwanzigsten Jahrhunderts, das ca. 20.000 Druckerzeugnisse und Objekte umfasst.

Während seines Berlin-Aufenthalts veranstaltete Paolozzi von April bis Juni neben legendären Essen auch eine Ausstellung in seinem 300 Quadratmeter großen Atelier in einer alten Werkhalle in einem Hinterhof am Kottbusser Damm. Hier entstanden eine Vielzahl von neuen Drucken und Modelle für Skulpturen und Reliefs, unter anderem die Bronzereliefs Kreuzberg I und II (1974/75), die sich heute im Garten der Scottish National Gallery of Modern Art befinden.

Anfang 1975 hatte Paolozzi eine große, von der Kestner Gesellschaft Hannover übernommene Ausstellung seiner Collagen, Druckgrafiken und skulpturalen Arbeiten in der Neuen Nationalgalerie und im Kupferstichkabinett Berlin. Die Ausstellung sowie der umfangreiche Katalog wurden in Zusammenarbeit mit dem BKP realisiert. Viele seiner Arbeiten verblieben danach in Berliner Institutionen. Sein großzügiges Angebot, der Stadt Berlin eine Skulptur für den öffentlichen Raum gegen Erstattung der Gusskosten zu schenken, wurde jedoch nicht angenommen – der Berliner Senat berief sich auf die schlechte Budgetsituation. 1976 gewann Paolozzi einen Stadtkünstlerischen Ideenwettbewerb für die Giebelbemalung des Hauses Kurfürstenstraße 87, in dem sich das Statistische Bundesamt befand. Das großformatige, abstrakte Wandgemälde wurde im Januar 1977 fertiggestellt, 1983 allerdings durch den Bau eines Bankgebäudes verdeckt. 2018 wurde es kurzzeitig wieder sichtbar, nachdem das Bankgebäude abgerissen worden war – an dessen Stelle im Anschluss ein neues Gebäude errichtet wurde.

Anlässlich der Ausstellung Eduardo Paolozzi – Druckgrafik 1974 bis 1982, die 1984 im Wissenschaftskolleg zu Berlin stattfand, gab das BKP einen Katalog heraus, der insbesondere drei in Berlin entstandene grafische Suiten zu musikalischen Themen behandelt: The Ravel Suite (1974, 6 Radierungen), Kottbusser Damm Pictures and Turkish Music (1974, 4 Siebdrucke), und Calcium Light Night (1974–1976), eine Folge von neun Serigraphien, die dem Komponisten Charles Ives gewidmet ist, sowie seine Entwürfe zu dem Berliner Wandgemälde.

Paolozzi war Teilnehmer der 26. Venedig Biennale (1952), der 4. são Paulo Biennale (1957), sowie der documenta 2, 3, 4 (1959, 1964, 1968). 2018 widmete ihm die Berlinische Galerie die von der Whitechapel Gallery übernommene Retrospektive Lots of Pictures – Lots of Fun, die sich neben seiner Frühphase vor allem auf die Berliner Jahre konzentrierte.

Text: Eva Scharrer

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