Albanien, Bildende Kunst, 2019

Edi
Hila

Foto: Krzysztof Zielinski

Edi Hila (*1944 in Shkodra, Albanien) hat in seinem Heimatland die radikale Transformation eines der totalitärsten kommunistischen Regimes in den Kapitalismus miterlebt. Seine künstlerische Ausbildung absolvierte er in seiner Geburtsstadt Shkodra, dem kulturellen Zentrum Nordalbaniens, wo er nach wie vor lebt, und lehrte zwei Jahrzehnte lang an der Akademie der Künste in Tirana Malerei.

In den 1970er-Jahren fiel Hila aufgrund seines Gemäldes Planting of Trees (1971) in Ungnade: die expressive Verwendung von Farbe entsprach nicht der herrschenden sozialistisch-realistischen Doktrin. Nachdem er 1973 noch während eines kurzen Aufenthalts in Florenz mit der Renaissancemalerei in Kontakt gekommen war, wurde er zur Umerziehung zu drei Jahren Zwangsarbeit in einer Geflügelfabrik verurteilt. Abgeschnitten von jedem kulturellen Leben entstand eine Reihe existentieller Zeichnungen, wie etwa Poultry (1975–1976), die die harsche Realität der Arbeiter*innen festhielten.
Seit dem Ende des Hoxha-Regimes entwickelte Hila seinen ganz eigenen Malstil in reduzierter Farbpalette, mit dem er zum Chronisten des sozio-politischen Wandels in Albanien wurde. Während der dramatischen Krise nach dem Kollaps der Finanzpyramide entstand die Serie Comfort (1997), die das Zerrbild einer Utopie unersättlichen Konsums, die der Gesellschaft vorgegaukelt wurde, festhält.

Hila arbeitet meist in Serien zu einem bestimmten Thema, etwa Migrations (1997), Paradox (2000–2005), Relations (2002–2014), Threat (2003–2009), Roadside Objects (2007–2010), Penthouses (2013), Martyrs of the Nation Boulevard (2015) und A Tent on the Roof of the Car (2016–2017). Der eigentümliche Realismus seiner Malerei generiert sich aus einer sorgfältigen Beobachtung von Details, die eine psychologische Wahrheit des dargestellten Phänomens jenseits von Zeit und Ideologie vermitteln. In meist entmenschlichten urbanen Landschaften manifestiert sich ein Gefühl universeller Leere – ein Spiegel unserer Modernität – das auch ohne den Hintergrund der osteuropäischen Geschichte Bestand hat.

Die auch auf der documenta 14 2017 in Athen und Kassel ausgestellte Boulevard-Serie widmet sich in sechs Gemälden der repräsentativen Prachtstraße in Tirana, die nicht nur die wichtigste, von öffentlichen Gebäuden und Monumenten flankierte architektonische Achse der Hauptstadt, sondern auch einen symbolischen Querschnitt durch die Geschichte des Landes darstellt. Der „Boulevard der Märtyrer der Nation“ ist stiller Zeuge aufeinanderfolgender totalitärer Regime, von der Monarchie über die italienische Besatzung zum Kommunismus, war Schauplatz militärischer Paraden und jüngster politischer Proteste. Die monumentale Architektur des italienischen Faschismus von Gherardo Bosio wird in Hilas Gemälden zur postapokalyptischen Kulisse, die an die ortslosen und menschenleeren Hintergründe strategischer Videokriegsspiele erinnert und jegliche Ideologie und Humanismus negiert.
2018 erhielt Edi Hila seine erste umfassende Retrospektive Painter of Transformation im Museum of Modern Art, Warschau.

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