Thailand, Musik / Musik & Klang, 2023

Pisitakun
Kuantalaeng

Foto: Jasper Kettner

Pisitakun Kuantalaeng wuchs inmitten der Kunstszenen Thailands auf, zu einer politisch äußerst instabilen Zeit. 2009 nahm er seine Arbeit als bildender Künstler auf, fokussiert auf politische Spekulationen und die nicht ausbleibenden Frustrationen. Die „Rothemden“-Proteste von 2010 und das harte Durchgreifen der Regierung festigten seine Haltung als kritischer Denker und Künstler.

Eines der Werke, die ihm erstmals größere Aufmerksamkeit bescherten, ist das 2012 begonnene The Unfinished History. Es sucht die Wahrheit, die sich hinter politischer Macht und umkämpfter Geschichte verbirgt, und fragt, wer Geschichte schreiben darf. Das Projekt bietet die Möglichkeit, Geschichte in Form von Zeichnungen und Comics umzuschreiben; absichtliche Leerstellen erlauben dem Publikum, eigene Interpretationen einzubringen. Die Arbeit reist und entwickelt sich stets weiter, erforscht die vielstimmigen Dimensionen von Geschichte und gibt verschiedenen Gruppen die Chance, gemeinsam eine alternative Bibliothek der Weltgeschichte zu erstellen.

Im Lauf der Zeit wuchs Pisitakuns Interesse an der Musik. Er begann damit zu experimentieren, wie klangliche Ausdrucksformen in verschiedenen Medienumgebungen Gestalt annehmen. Die Multimedia-Arbeit Black Country (2017) entstand aus erzwungenen Konfrontationen in einem Land, in dem die Dinge den Pfad der Rationalität verlassen haben. Mit einer Kombination aus Noise, Techno-Sounds, Black-Metal-Ästhetik und Performance nahm die Show eine Reihe von erfundenen Glaubensvorstellungen und Ritualen eines fiktiven Landes humorvoll unter die Lupe.

In der Folge entwickelte sich Musik zu einem zentralen Element in Pisitakuns Karriere. Er schloss sich Chinabot an – einer Mischung aus Plattform und Kollektiv, deren erklärtes Ziel es ist, den Dialog über asiatische Musik zu verändern – und veröffentlichte dort mehrere Alben. SOSLEEP (2018) entstand kurz nach dem Krebstod seines Vaters und kombinierte traditionelle Trauerinstrumente mit hartem Noise und Techno-Beats, überlagert von intimen Aufnahmen der Krankenhausmaschinen, die seinen Vater in den letzten Tagen am Leben hielten. Absolute C.O.U.P. (2020) stellt die Existenz von Demokratie und Meinungsfreiheit in Frage, die in Thailand wie ein ferner Traum erscheinen. Seit der Siamesischen Revolution von 1932 hat die Nation 13 Militärputsche erlebt, mehr als jedes andere Land in der modernen Geschichte. Kongkraphan (2022) gibt die vergessenen Stimmen thailändischer DemonstrantInnen und den Klang der Wut über eine ungerechte Situation wieder. Der Titel bedeutet wörtlich „unverwundbar“ oder „unsterblich“, bezeichnet aber auch einen thailändischen Talisman, der Unbesiegbarkeit verleiht. Auf diesem Album symbolisiert das Wort die Überzeugungen und den nie nachlassenden Kampfgeist der Protestierenden.  

Text: Penwadee Nophaket Manont
Übersetzung: Anna Jäger

Vergangen

  • MIDDLE SOUND #01
    Pisitakun Kuantalaeng

    2023, Online-Album

    Am 27. November erscheint die Compilation MIDDLE SOUND #01. Pisitakun Kuantalaeng (Fellow Musik & Klang 2023) hat dafür 18 internationale ProduzentInnen eingeladen, Protestlieder ihrer Heimatländer neu zu interpretieren. Zusammen mit Hintergrundinformationen zu den Originalliedern und den beteiligten KünstlerInnen werden die daraus hervorgegangenen Tracks als Onlinealbum zugänglich gemacht. Die Veröffentlichung ist Teil des größeren Projekts THE THREE SOUND OF REVOLUTION, in dem Kuantalaeng Verbindungslinien und Unterschiede globaler Protestbewegungen untersucht, in denen Musik meist eine zentrale Rolle spielt. Eine weitere Iteration des Projekts wird in Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstlerprogramm beim CTM Festival 2024 – SUSTAIN präsentiert.

    Mit Beiträgen von: Abadir (EG), Teya Logos (PH), Gabber Modus Operandi (ID), Pisitakun (TH), Wanton Witch (MY), Neo Geodesia (CB), WAQ WAQ KINGDOM (JP), Odete (PT), Ale Hop (PE), Carla Boregas (BR), Ruhail Qaisar (IN), fatalism (GR), Hui Ye (CN), PNIKY HTUT AUNG (MM), HURA (IR), Tanat Teeradakorn (TH)

    Mastering: Enyang Urbiks, Urbiks Music GmbH
    Webseite Konzeption & Realisierung: José Fernandes
    Gefördert vom Berliner Künstlerprogramm des DAAD

    https://threesound.org

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