Frankreich, Bildende Kunst, 2019

Mathieu Kleyebe
Abonnenc

Foto: Krzysztof Zielinski

Mathieu Kleyebe Abonnenc (*1977 in Französisch-Guayana) untersucht die kulturellen Hegemonien, auf denen zeitgenössische Gesellschaften gründen. Im Fokus seiner künstlerischen Recherche steht die Kolonialgeschichte, ihre Folgen für kulturelle Identitäten sowie globale Beziehungen und Konflikte. Eine wesentliche Rolle spielt für Abonnenc die Auseinandersetzung mit dem „Dritten Kino“ und der Filmgeschichte im Zuge der Entkolonialisierung afrikanischer Staaten in den 1960er-Jahren. In seinen Videos, Fotografien, Diaprojektionen und Zeichnungen, mittels Archivmaterial, Ausstellungsprojekten und Vorträgen erforscht er die Ursachen kollektiven Gedächtnisverlusts. Kulturelle Objekte tragen immer eine Form der Erinnerung in sich, die Abonnenc im Sinne einer „reflexiven Anthropologie“, die die ethnographische Autorität kritisch hinterfragt, offen legt um sie neu zu verhandeln.

Foreword to Guns for Banta (2010) etwa erzählt von der Suche nach dem Film Guns for Banta, für den die Regisseurin und Pionierin des politisch-militanten Kinos aus Guadeloupe, Sarah Maldoror, 1970 mehrere Monate auf der Insel Diabada verbrachte um den Kampf einer jungen Frau gegen die algerische Kolonialmacht zu dokumentieren. Der von der P.A.I.G.C. (Afrikanische Partei für Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde) in Auftrag gegebene Film wurde noch vor dem Schnitt von den algerischen Behörden, die ihn finanziert hatten, beschlagnahmt und ist bis heute verschollen. Es wäre Maldorors erster Film gewesen, dessen verlorene Geschichte Abonnenc mit seinem retrospektiven Vorwort in Form einer Diashow aus Archivmaterial erneut auflädt.

An Italian Film (Africa Addio) und die im Zusammenhang damit geschaffenen Objekte Untitled (Bodies in a Pile) (beides 2012) nehmen direkt Bezug auf die Monstrosität des Kolonialismus in Afrika, beziehungsweise auf den im Titel zitierten umstritten Pseudo-Dokumentarfilm Mondo Cane von Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi, die die Grausamkeiten im Zuge der Dekolonisation nicht nur auf möglichst schockierende und rassistische Weise dokumentierten sondern aktiv vor der Kamera geschehen ließen. Für die minimalistischen Stehlen ließ Abonnenc Kupfermünzen aus der Kongo-Provinz Katanga einschmelzen und kehrt den kolonialen Gewaltakt um, indem er aus dem Kupfer, dem das Hauptinteresse der Kolonialmacht im Kongo galt, wieder abstrahierte „Körper“ schafft.

Der 40-minütige Film Secteur IX B (2015) folgt einer jungen Anthropologin, die im Zuge ihrer Forschung an Objekten, die während der von den Ethnologen Marcel Griaule und Michel Leiris geleiteten Dakar-Djibouti-Expedition (1931–1933) nach Paris gelangt waren, die prophylaktische Medikation der Expeditionsteilnehmer samt den halluzinogenen Folgen im Selbstversuch nachvollzieht. Die filmische Fiktion verbindet Abonnenc mit der eigenen Biografie, indem er Dokumente aus dem Nachlass seines Großvaters, der als Entomologe in Gabun selbst an der Sammlung kultureller Artefakte für ein ethnografisches Museum in Paris beteiligt war, mit zur Disposition stellt.

Mathieu Kleyebe Abonnenc hatte Einzelausstellungen u.a. in der Fundación Jumex, Mexiko-Stadt (2018), MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt (2016), Kunsthalle Basel (2013), Fundação de Serralves, Porto (2012) und Gasworks, London (2011). Er war Teilnehmer der 56. Venedig Biennale (2015) und der Manifesta 8 in Murcia (2010).

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