Italien, Bildende Kunst, 1973

Pier Paolo
Calzolari

Pier Paolo Calzolari (geb. 1943 in Bologna), der sich selbst als Objektmacher und Konzept-Künstler bezeichnet, war 1973 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP). Ab Mitte der 1960er Jahre war er einer der Wegbereiter und Hauptvertreter der Arte Povera. 1969 nahm Calzolari an der legendären, von Harald Szeemann kuratierten Ausstellung Live in Your Head. When Attitudes Become Form in der Kunsthalle Bern teil, was den Beginn seiner internationalen Karriere markierte; 1972 war er in der Abteilung „Individuelle Mythologien“ auf der documenta 5 vertreten. In seinen der Arte Povera zuzuordnenden Arbeiten verwendete Calzolari verschiedene natürliche Materialen und thematisierte Kontraste, Veränderung und Zeitlichkeit; wiederkehrende Elemente sind Tabakblätter, Salz, Feuer, Frost, Kupfer und Blei. Seine eisgefrorenen Strukturen entwickelten im Laufe der Zeit einen leichten Reif auf der Oberfläche, während das Material einen scheinbar alchemistischen Transformationsprozess durchlief. In seine Bildobjekte und Performances bezog er außerdem die Lichteffekte von Neonröhren sowie Brand- und Versehrungsspuren ein, etwa bei Handlungen der Leidenschaft, einer Folge von neun Aktionen in den Jahren 1968 bis 1970. In den 1970er Jahren begann Calzolari mit Malerei und schuf monochrome Farbflächen in Verbindung mit Gegenständen und Lebewesen – zum Beispiel Kinder, Fische, Hunde oder Rosen. In den 1980er Jahren entwickelte er eine eigene gestische und farbintensive Malerei, die teils von mythischen Zeichen durchsetzt und der Bewegung der Transavanguardia zuzuordnen ist. Von 1966 bis 1970 und von 2002 bis 2003 war er Professor für Malerei an der Accademia di Belle Arti in Urbino.

1973/74 nahm Calzolari an der BKP-Ausstellung 30 internationale Künstler in Berlin in der Beethoven-Halle in Bonn teil, wo er die aus vierzehn Fotografien bestehende Arbeit Usura: amore e misericordia (1972–1974) zeigte. Calzolari nahm an der documenta 5 und 9 (1972, 1992) und der 38., 39. und 44. Venedig Biennale (1978, 1980, 1990) teil. Seine bislang letzte Retrospektive, Painting as a Butterfly, fand 2019 im Museo d’Arte Contemporanea Donnaregina in Neapel statt.

Text: Eva Scharrer

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