Argentinien / Uruguay, Musik, 2014

Osvaldo
Budón

Foto: Kai Bienert

Osvaldo Budóns kompositorische Fantasie entwickelt sich aus einem »panamerikanischen Interesse«. Wie viele lateinamerikanische Komponisten seiner Generation hat es den 1965 in Argentinien geborenen Budón nach dem Studium nach Nordamerika verschlagen. Im kanadischen Montréal erkundete Budón intensiv die Möglichkeiten elektroakustischer Musik und suchte nach Verbindungen von elektronischer und instrumentaler Musik sowie nach der Verflechtung verschiedenster musikalischer Traditionslinien.


Budón wandert innerhalb seiner Kompositionen nicht nur leichtfüßig zwischen unterschiedlichen Genres der Musikgeschichte wie nordamerikanischer Avantgarde, lateinamerikanischer Klassik, Popmusik, Folk oder eigenen Stücken (so in der 8-kanaligen Komposition Hacia el azul/hacia el rojo (Richtung Blau/Richtung Rot) von 2010), sondern auch zwischen speziellen Klangfarben der Musiktradition. Sein heterogenes Schaffen erstreckt sich von Solostücken bis hin zu orchestralen Werken und sucht immer wieder die Integration elektronischer oder live-elektronischer Klangsynthese. Von Zeit zu Zeit rücken aber auch einzelne Instrumente wie die Gitarre, ein Symbol lateinamerikanischer Musik, in den kompositorischen Fokus, der dem Instrument schließlich ein differenziertes und überraschend neues Klangspektrum abringt – etwa in 10G (2010/11), einem Stück für 10 Gitarren, die nicht nur mikrotonal gestimmt sind, sondern teils auch ein spezielles Saiten-Setup fordern. Budón schafft damit eine schillernd schwebende Mikroton-Polyphonie, die traditionelle Klangfarben mit zeitgenössischen Kompositions- sowie Spieltechniken verknüpft.
Durch die Erfahrungen in Nordamerika schafft Budón schließlich eine Instrumentalmusik, die durch seine Arbeit mit elektroakustischer Musik geprägt ist. Es geht ihm dabei aber nicht allein um die Übertragung digitaler Klangsynthese auf instrumentales Komponieren, sondern vielmehr um den Versuch, ein interaktives Geflecht zu entwerfen. So entstehen Werke, in denen zum Beispiel digitale Prozesse und Instrumentengruppen die klanglichen Outputs des jeweils anderen in Echtzeit gestalten (Alrededor De Una Música Ausente (Um eine abwesende Musik herum) von 2002/03, für 3 Instrumentengruppen und 3 digitale Signalverarbeitungsstationen).
Mit der Rückkehr nach Lateinamerika hat Budón (heute in Montevideo, Uruguay, ansässig) nicht nur einmal mehr die Grenzen des amerikanischen Kontinents überschritten, sondern auch die der Kunstgattungen. Mit Curiyú/Carillón (2011-2012) schuf er, in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Micaela Perera Diaz, eine große Klangskulptur, die zugleich auch Akteur in einem variablen Ensemblestück (Unísonos imposibles (Unmögliche Unisoni) von 2012) wurde. Das Verschleiern kulturell verorteter Klangphänomene und die Suche nach Kunstgattungen überschreitenden Formaten werden auch die Arbeiten Budóns hier in Berlin prägen. Man darf gespannt sein auf einen raumgreifenden Klangkörper, der sich zwischen Klanginstallation und Konzert entspinnt, und als »verräumlichtes Orchester umgestalteter Gitarren« ein schwebendes Klangfeld erzeugt, innerhalb dessen sich Instrumentalisten und Hörer bewegen.

Text: Fabian Czolbe, 2014

Vergangen

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