Indien, Bildende Künste, 2023, in Berlin

Malik
Sajad

Foto: Jasper Kettner

Der bildende Künstler, Schriftsteller und Trickfilmzeichner Malik Sajad dokumentiert die überwältigende Komplexität des Lebens. Er erzählt Geschichten in Worten und Bildern – eine Paarung, die seinen Erzählungen Kraft verleiht.

Sajads Neigung, visuell auf die Welt zu reagieren, zeigte sich schon früh in seinem Leben durch Bilderströme, die oft seinen Geburtsort Srinagar in Kaschmir abbildeten. Nachdem RedakteurInnen der englischen Tageszeitung Greater Kashmir auf ihn aufmerksam geworden waren, arbeitete Sajad bereits als Jugendlicher bei der Zeitung und begleitete leitende ReporterInnen, um einzelne Aspekte von Berichten zu zeichnen.

Dabei erlernte er die Grundregeln für die Dokumentation in Wort und Bild. Er half darüber hinaus seinem Vater beim Schnitzen komplizierter Motive auf Holzblöcke, die als dekorative Elemente an traditionelle Möbel angebracht werden. Daraus entwickelte sich ein ungebrochenes Interesse an Holzschnitttechniken, insbesondere an denen der deutschen ExpressionistInnen. Diese grundlegenden Erfahrungen ermöglichten es Sajad, sich eine Zukunft vorzustellen, in der er seine Kunst und seine investigativen Fähigkeiten beim Erzählen von Geschichten verbinden konnte.

Als leidenschaftlicher Leser faszinierten Sajad SchriftstellerInnen wie Richard Wright, Toni Morrison oder Saadat Hasan Manto. Ebenso studierte er die Werke bildender KünstlerInnen aus verschiedenen Epochen, wobei er sowohl Käthe Kollwitz als auch Jean-Michel Basquiat als Inspirationsquellen betrachtet. Die Kenntnis verschiedener Disziplinen – Film, bildende Kunst, Literatur oder Trickfilm – war für die Entwicklung von Sajads eigener Ästhetik im Bereich des visuellen Geschichtenerzählens entscheidend.

Während der Entstehung seiner ersten Graphic Novel beschäftigte sich Sajad im Brooklyn Museum mit den Grafiken des deutschen Expressionismus. Der visuelle und konzeptionelle Reichtum der Werke führte ihn zu der Erkenntnis, dass die erzählerische und zeugnishafte Qualität eines jeden Werks die Zeit seiner Entstehung überdauert. Diese Erfahrung bestärkte Sajad in seiner Hingabe an die Ästhetik der ExpressionistInnen in seinem eigenen späteren Werk.

In der Graphic Novel Munnu: a Boy from Kashmir dokumentiert Sajad eine Kindheit mit den Augen eines siebenjährigen Jungen. Das zutiefst autobiografische Werk stellt häufig scheinbar „irrelevante“ Ereignisse des Familienlebens in einem größeren Kontext dar. Der Einsatz von Anthropomorphismus – die Verwandlung der Figuren in die vom Aussterben bedrohten Kaschmirhirsche – ermöglicht es, sich einigen der schwierigen Aspekte des Zusammenlebens auf eine weniger belastende Weise zu nähern, was das gegenseitiges Verständnis erleichtert. Neben der Darstellung seiner eigenen Familie führte Sajad auch Interviews in abgelegenen Teilen Kaschmirs und gibt somit auch der machtlosen Bevölkerung eine Stimme. In seiner facettenreichen Recherche erkundete er die Möglichkeiten des Geschichtenerzählens, von der Materialsammlung bis hin zur Umsetzung in ernste Zeugnisse.

In der gegenwärtigen kontroversen Vielfalt kultureller und politischer Polarisierung ermöglicht das visuelle Geschichtenerzählen den Austausch von Standpunkten und erleichtert einen weniger konfrontativen Ansatz.  Indem wir uns Zeit nehmen für die einzelnen Bilder einer Graphic Novel und versuchen, andere Meinungen zu verstehen, wird interkulturelle Kommunikation begünstigt.

Bei der Arbeit an neuen Büchern, Kurzreportagen und/oder einzelnen Kunstwerken setzt Sajad sowohl textliche als auch visuelle Mittel ein, um über den Zustand der Menschheit inmitten andauernder weltweiter Konflikte nachzudenken. Dabei weist er auf die Möglichkeit einer Lösung hin, oder zumindest darauf, eine Art gemeinsame Basis zu finden. In unserer heutigen unruhigen Welt kann die Bedeutung solcher Werke nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Text: Charlotta Kotik
Übersetzung: Anna Jäger

Website Sajad Malik:

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