Frankreich, Bildende Kunst, 1974

Daniel
Buren

Daniel Buren (geb. 1938 in Boulogne-Billancourt bei Paris) trat sein Stipendium beim Berliner Künstlerprogramm des DAAD (BKP) im Juli 1974 an. Der analytisch-konzeptuell arbeitende Maler und Bildhauer machte die sogenannten Markisenstreifen – Streifen in variierenden Farben, die meist alternierend mit Weiß 8,7 (+/- 0,3) cm breit und auf unterschiedlichsten Formen und Materialien aufgebracht sind – zu seinem Markenzeichen. Angeregt von der Strategie des détournement der Situationisten platzierte er seine Arbeiten nicht als autonome Werke im neutral weißen Raum, sondern integrierte sie in situ in bestehende architektonische Situationen, die im klassischen Kunstbetrieb eher unbeachtet blieben, sowie im öffentlichen Raum – so zum Beispiel bei einer Aktion für die Ausstellung Position – Proposition mit der Galerie Konrad Fischer in Düsseldorf im Jahre 1968 auf einem Bauzaun. Für die documenta 5 entwickelte er mit Exhibition of an Exhibition. A piece in 7 works eine Arbeit in situ, bei der weiße Streifen auf Papier als „Hintergrund“ für die Werke anderer, meist amerikanischer Künstler, wie etwa die der Fotorealisten oder einem Flag-Painting von Jasper Johns, dienten. So wurde das Augenmerk weg vom Objekt hin zur darunterliegenden Struktur gelenkt und gleichzeitig die historische Distanz der beiden Arbeiten betont. Buren formulierte damit jedoch auch eine frühe Kritik der Entmachtung von KünstlerInnen durch die sich selbst als Künstler verstehenden Ausstellungsmacher, wie er in seinem Text „Ausstellung einer Ausstellung“ für den Katalog der documenta 5 deutlich machte.

Der Höhepunkt seines Berlin-Aufenthaltes war sicherlich die Regatta auf dem Wannsee, die unter dem Titel Voile/Toile – Segel/Leinwand. 9 Arbeiten von Daniel Buren in Zusammenarbeit des BKP mit der Galerie Folker Skulima am 20. September 1975 stattfand: Neun Segelboote der Bootsgattung „Optimist“ stachen mit von Buren gestalteten, weiß und farbig gestreiften Segeln an der Insel Schwanenwerder in die Havel. Die Segel in den Farben Grün (2x), Gelb (2x), Blau (2x), Rot (1x), Orange (1x) und Braun (1x) wurden von einer Segelmacherei in Bremerhaven aus farbig alternierenden Nylonbahnen passend für den Mast des „Optimist“ angefertigt. Dass die Breite der Streifen mit 8,1 cm leicht von dem festgelegten Format abwich, war den Eigenschaften des Materials beziehungsweise des Segels geschuldet. Die beiden äußeren weißen Streifen wurden jeweils zusätzlich mit weißer Acrylfarbe bemalt. Die kleinen Boote wurden von Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren in einer Regatta auf dem Wannsee gesteuert – der See war vom Künstler bewusst als ein Ort des öffentlichen gesellschaftlichen Lebens in Berlin ausgewählt worden. Die Segel wurden anschließend in der Akademie der Künste in Westberlin ausgestellt und somit in den Kunstkontext rücküberführt und als „entsegelte Leinwand“ (Buren) von ihrem Ursprung (dem Boot und dem See) entfernt. Zu der Aktion und Ausstellung entstand ein Katalog. Weitere Ausstellungen von Toile/Voile – Voile/Toile fanden in Genf, Luzern, Villeneuve d’Ascq, Lyon-Villeurbanne, Tel Aviv, Sevilla und Grasmere statt.

Für diezweite Auflage der Veranstaltung Aktionen der Avantgarde ADA 2 des Neuen Berliner Kunstvereins in Zusammenarbeit mit dem BKP und den Berliner Festwochen vom 26. bis zum 30. September 1974 beklebte Buren an der Kreuzung Ku’damm und Fasanenstraße großflächig platzierte ADA-Plakate mit grünen und weißen, orangen und weißen sowie grauen und weißen Streifen. Daniel Buren war Teilnehmer der documenta 5, 6 und 7 (1972, 1977, 1982) und nahm zwischen 1972 und 2007 mehrfach an der Venedig Biennale teil.

Text: Eva Scharrer

Vergangen

zum Seitenanfang