USA, Bildende Kunst, 1978

Agnes
Denes

Agnes Denes (geb. 1931 in Budapest) wurde 1978 für ein Stipendium des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP) ausgewählt, konnte dieses aber nicht antreten. Ihr Werk, das sie auch als „Visual Philosophy“ bezeichnet, umfasst poetische und philosophische Schriften, detaillierte Zeichnungen auf Millimeterpapier, Skulpturen und ikonische Land-Art-Arbeiten. 1972 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen der A.I.R. (Artists-in-Residence) Gallery, der ersten rein weiblichen Künstlerinnen-Kooperative in den USA. Denes ist Pionierin einer konzeptuellen Kunst, die sich wissenschaftlicher Methoden bedient und sich auf philosophische Weise mit ökologischen Fragen befasst. Zu ihren frühesten Arbeiten dieser Art zählen das Bird Project –das sie bereits als Teenager in Schweden skizzierte, aber erst 1988/89 in New York teilweise realisieren konnte –, das Zugvögel und Migration von Menschen in Bezug setzt, und Rice/Tree/Burial (1968), das als erstes ortsspezifisches Performanceprojekt mit ökologischem Ansatz gilt und 1977 für ihre Residency im Artpark in Lewiston im US-Bundesstaat New York neu geschaffen wurde: In einem symbolischen „Event“ wurde ein halber Acre Reis an dem Ort gepflanzt, wo ursprünglich die Niagara Fälle entsprangen, der aber gleichzeitig auch eine Müllkippe für Industrieabfälle war. In einem weiteren Schritt wurden Bäume aneinandergekettet; eine am 20. August 1979 dort vergrabene Zeitkapsel mit Antworten von Studierenden auf die Frage nach dem Zustand der Menschheit soll im 30. Jahrhundert geöffnet werden.

Im April 1978 wurde die vom BKP organisierte Einzelausstellung Sculptures of the Mind / Philosophical Drawings im Amerika Haus in Berlin gezeigt. Die Ausstellung enthielt eine Auswahl ihrer als analytischer Dialog unterschiedlicher Disziplinen konzipierten seriellen Arbeiten, meist in Form von Federzeichnungen auf Millimeterpapier – darunter Map Projections: Study of Distortions (1974–76) und Pyramidal Projections bzw. Pyramid Series (1974–76) – die Serie Human Dust (1974) sowie eine Dokumentation von Rice/Tree/Burial von 1977. Zur Ausstellung entstand ein vom BKP herausgegebener Katalog.

1982 schuf Agnes Denes ihre wohl bekannteste und ambitionierteste Arbeit, Wheatfield – A Confrontation, wofür sie mit Hilfe des Public Art Fund ein zwei Acre großes Weizenfeld auf einer ehemaligen Deponie, dem heutigen Battery Park in Lower Manhattan pflanzen ließ, das dort über einen Zeitraum von vier Monaten aufwendig bestellt wurde. Von dem Projekt übrig geblieben sind ikonische Fotografien mit der Statue of Liberty im Hintergrund des Weizenfelds. 1996 entstand im Westen Finnlands Tree Mountain – a living time capsule, ein monumentales Earthwork in Form eines gepflanzten Waldes auf einer pyramidalen Aufschüttung, das für die nächsten vierhundert Jahre gesetzlich geschützt ist. Die Skulptur The Living Pyramid, die ursprünglich 2015 für den Socrates Sculpture Park in Long Island City entstand, wurde 2017 für die documenta 14 in Kassel neu geschaffen. Mit ihren ökologisch orientierten Projekten ist Agnes Denes gerade heute wieder höchst aktuell – so wurde etwa Wheatfield – A Confrontation 2020 in der Ausstellung Down to Earthim Berliner Gropius Bau gezeigt.

Agnes Denes nahm an der documenta 6 und 14 (1977, 2017) und der 38., 39. und 49.Venedig Biennale (1978, 1980, 2001) teil, ihre Arbeiten sind in den Sammlungen des Museum of Modern Art, im Metropolitan Museum und im Whitney Museum of American Art in New York vertreten. 1992 hatte sie eine Retrospektive im Herbert F. Johnson Museum of Art der Cornell University, 2019 eine große Ausstellung ihres Gesamtwerks in The Shed, New York.

Text: Eva Scharrer

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