Japan, Musik, 1969

Maki
Ishii

Bereits zehn Jahre vor seinem im Juni 1969 angetretenen Stipendium beim Berliner Künstlerprogramm des DAAD hatte Maki Ishii (1936–2003) ab 1958 mehrere Jahre in Berlin verbracht, wo er an der Hochschule der Künste seine in Japan begonnenen Kompositionsstudien bei Boris Blacher und dem Schönberg-Schüler Josef Rufer vervollständigt hatte.

Entscheidend für die Ausformung eines eigenen kompositorischen Ansatzes wurde jedoch nicht die postserielle Musik, sondern das offene kulturelle Klima, das Ishii bei seiner Rückkehr nach Japan 1961 vorfand, sowie 1966 die Erfahrung einer buddhistischen Zeremonie im Hōryū-ji-Tempel der Stadt Ikaruga – ein Erlebnis, das sein Interesse beförderte, sich tiefergehend mit den Traditionen seiner Heimat zu befassen.

Ishii strebte in der Folge nicht nur eine Synthese östlicher traditioneller Musik mit der postseriellen westeuropäischen und amerikanischen Avantgarde an: Er wollte zudem eine Koexistenz unterschiedlicher musikalischer Systeme und Haltungen durch das Erstellen spezifischer Spannungsfelder aufzeigen. In dieser Hinsicht arbeitete Maki Ishii auch an dem 1968, also kurz vor seinem Berlinaufenthalt komponierten, Orchesterstück Kyō-Ō, das im Februar 1969 im Rahmen eines „Deutsch-Japanischen Festivals für Neue Musik“ in Tokyo uraufgeführt wurde. Während sein 1967 entstandenes Werk Expressionen für Streichorchester bereits Aspekte traditioneller japanischer Musik auf der Ebene der Klangfarbengestaltung reflektierte, wird in Kyō-Ō der Rhythmus, der in der japanischen Musik eine große Rolle spielt, zu einem zentralen Bedeutungsträger. Die starke Präsenz des Schlagzeugs dominiert, beziehungsweise behauptet sich gegenüber der elektronischen Modulation der Instrumentalklänge, die allerdings ebenso relevant ist. Das Klavier zum Beispiel wurde mittels 88 Kontaktmikrofonen an den Saiten akustisch zu einem „multipiano“ aufgefächert.

Ähnlich konzipiert wie Kyō-Ō ist Ishiis 1969 ebenso noch in Japan uraufgeführte Komposition Kyō-sō für Perkussion und Orchester, die jedoch mit Klangballungen, die in perkussionsdominierten Clustern kulminieren, eine deutlich expressivere Tonsprache besitzt. Der Eindruck stellt sich ein, dass hier, metaphorisch gesehen, ein Kampf zwischen den Stilmerkmalen der avancierten westlichen und einer traditionellen östlichen Kultur ausgetragen wird. 1969 entstanden die Kompositionen La-Sen für Kammerensemble mit Elektronik, sowie ein Marimba Piece für zwei InstrumentalistInnen. In den Stücken der Jahre 1970 und 1971 verwendete der Komponist dann ein ausschließlich japanisches Instrumentarium.

Maki Ishii, der 1969 in Berlin auch einen Vortrag am Goethe-Institut über die neueste experimentelle Musik Japans hielt, war im Anschluss an sein im Juni 1970 abgeschlossenes Stipendium in der Stadt zeitweise ansässig geworden. Zu seinem kulturellen Engagement gehörte unter anderem das von ihm 1972 kuratierte, zweitägige Konzertereignis Music Now, das im Rahmen den Berliner Festwochen stattfand.

Mit dem von Maki Ishii 1973 in Tokio gegründeten Tokk-Ensemble, das sich auf die Präsentation zeitgenössischer japanischer Musik auf traditionellen Instrumenten spezialisierte, war Maki Ishii in Berlin am 2. Oktober 1973 in der Akademie der Künste (West) und ebenso am 3. Oktober 1976 auf dem zweiten Metamusik-Festival zu Gast. Zum Abschluss des nachfolgenden Konzerts erklang am selben Abend seine Auftragskomposition Monochrome II; ein Stück, das traditionelle japanische Taiko-Musik auf Röhrentrommeln mit avantgardistischen Verfahren wie der Aleatorik verbindet. Aufgeführt wurde es durch das international gefeierte Schlagzeugensemble Ondekoza.

Text: Thomas Groetz

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