Südafrika, Bildende Künste, 2023, in Berlin

Helena
Uambembe

Helena Uambembe, Performance Villa Romana Florenz (Foto: Giulia del Piero)

Helena Uambembe ist Geschichtenerzählerin oder, wie sie sich selbst beschreibt, eine Hüterin von Geschichte(n). Sie bewahrt die persönlichen Erinnerungen, die Traumata und das Glück ihrer Familie ebenso wie die kollektive Amnesie, die unter den Angehörigen ihrer Community verbreitet ist. Das Material, mit dem sie vorrangig arbeitet, sind Geschichte(n) – und das Schweigen, das sie mit ihrem Vater teilt.

Uambembe wurde in Pomfret geboren, einer Wüstenstadt in Südafrika, in der vor allem Veteranen des 32. Bataillons der Suid-Afrikaanse Weermag leben.1 Dieses Bataillon, verbunden mit ihrer angolanischen Herkunft, ist vorherrschendes Thema in ihrem Werk, das unter Rückgriff auf historische, räumliche und zeitliche Narrative symbolische Elemente, Archivmaterial und Fiktion miteinander verwebt.

Ihre interdisziplinäre Praxis umfasst Textilien, Druckgrafik, Fotografie, Performance und Text; das Vokabular dazu erwächst aus vier konzeptuellen Elementen: Archiv, Erinnerung, Körper und Sprache. Dem Körper kommt dabei eine besondere Bedeutung zu; er ist ein Gefäß des Wissens und ein Barometer ungeklärter Traumata; in ihm fließen Geografien, Territorien und Zeiträume zusammen; er ermöglicht ein Verständnis der vielen Identitäten, die die Künstlerin in sich trägt.

Sprache ist Erinnerung, sie wird zur Aufführung gebracht und (neu) erfunden. In ihren Texten oder Klanginstallationen, die auf mündliche Überlieferung zurückgreifen, mischt Uambembe Hymnen in südafrikanischen, angolanischen und namibischen Idiomen. So baut sie ein umfangreiches persönliches Vokabular auf, das eine Verbindung zu ihren Ahnen herstellt und Möglichkeiten für Zwischenräume eröffnet.

Für Uambembe ist das Archiv sowohl ein gelebter Raum als auch Gegenstand und Ort ihrer Nachforschungen und künstlerischen Produktion. Die Auseinandersetzungen mit dem vorgefundenen Material einerseits und die von ihrer Community durchlebten Erfahrungen andererseits formen und überformen kontinuierlich das Archiv. In einer Fotoserie montiert sie sich selbst in historische Aufnahmen hinein, gerade so, als könne sie durch ihr Eingreifen in bestimmte Ereignisse den Lauf der Geschichte verändern. Die Zeit wird gekrümmt. Diese Gesten und Interventionen schaffen die Bedingung der Möglichkeit nachzudenken, wie verkörpertes Leben unterschiedlichste Ereignisse prägt und zusammenführt. Ob sie nun im häuslichen (persönlichen) Umfeld oder mit kollektiven Archiven arbeitet, Uambembes Werk kartiert den ideologischen und intimen Raum, der durch die historischen Ereignisse geschaffen wurde, die Angola, Südafrika, Namibia und die globale Geschichte miteinander verbinden.

Ihre jüngsten Arbeiten beschäftigen sich mit Reparatur, Wiedergutmachung und kollektiver Heilung – Räume, die sich öffnen, wenn es gelingt, das Schweigen und die damit verbundenen Leerstellen hinter sich zu lassen. Jedes Werk, ob Video, Zeichnung oder Installation, dient als Rahmen für eine umfassendere Erzählung, die sich mit den Brüchen und Auslöschungen auseinandersetzt, die aus dem unausgesprochenen Erbe des Krieges resultieren und die Gegenwart überschatten. Auch wenn solche Konfrontationen durchaus eindrücklich sein können, so erinnert uns Uambembes Arbeit doch gleichzeitig daran, dass politische Prozesse weder individuell noch körperlos sind. Ihr Interesse gilt der Suche nach Gemeinsamkeiten, den performativen Aspekten der Erinnerung, der Fähigkeit der Kunst uns zusammenzubringen und der menschlichen Gabe der Transformation und Heilung.

Text: Paula Nascimento
Übersetzung: Anna Jäger

1 Das 32. Bataillon war eine Einheit der Suid-Afrikaanse Weermag – in erster Linie angolanische Männer, die im Unabhängigkeitskrieg gegen Namibia kämpften. Helenas Vater war Soldat in diesem Bataillon, sie wuchs in einer Community ehemaliger Soldaten auf.

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