Südafrika, Bildende Künste, 2021

Olivia
Botha

Olivia Botha, "When words fail", video still, 2019

Die multidisziplinär ausgerichtete, bildende Künstlerin Olivia Botha wurde 1991 in Bloemfontein, Südafrika, geboren und ist in Kapstadt aufgewachsen. Sie arbeitet vor allem mit Videoperformance, Installation, Malerei und Poesie. Mit Hilfe eines auf Sprache und Kommunikation ausgerichteten Ansatzes erforscht sie die verschiedenen Arten, in denen unsere persönlichen Erfahrungen durch Beziehungen zu Menschen, Objekten und Erinnerungen beeinflusst werden.

Nach Abschluss ihres Kunststudiums an der Michaelis School of Fine Art der Universität Kapstadt im Jahr 2017 verbrachte Botha ein Jahr als Residenzkünstlerin in der National Gallery of Bulawayo in Simbabwe. Sie experimentierte mit großformatigen Mixed-Media-Installationen und erforschte die Komplexität des Gefühls, sowohl im eignen Land als auch als Besucherin in einem anderen Land eine Außenseiterin zu sein. Botha spricht fließend Englisch, aber ihre Muttersprache ist Afrikaans, eine westgermanische Kreolsprache, die sich im 19. Jahrhundert während des Kolonialismus im südlichen Afrika entwickelte und derzeit von 12 % der südafrikanischen Bevölkerung gesprochen wird. Afrikaans ist zwar als eine der elf offiziellen Sprachen des „neuen“ Südafrikas anerkannt, wird aber auch negativ mit dem alten Apartheidregime in Verbindung gebracht, das die Sprache als Mittel zur sozialen und kulturellen Unterdrückung eingesetzt hat. Kunstwerke wie Breaking a Curse (2018), Moeder Tong / Mother Tongue (2019), Dubbele Tong (2019) und die Performancearbeit Sit with me (2019) befassen sich unmittelbar mit den Fehldeutungen, die bei der Übersetzung von Worten aus einer Sprache in eine andere entstehen. Manchmal sind diese Missverständnisse buchstäblich, wenn die Bedeutung von Wörtern und Sätzen „in der Übersetzung verloren geht“ oder die Sprecherin physisch sprachlos ist. In anderen Fällen wird eine Bedeutung durch den paradoxen Versuch, nonverbale soziokulturelle Normen mit Hilfe von Worten zu vermitteln, falsch wiedergegeben.

Im Jahr 2018 erhielt Botha den Cassirer-Welz-Preis und die Möglichkeit, zehn Wochen in der Bag Factory in Johannesburg zu verbringen und dort ein neues Werk für ihre erste große Einzelausstellung Things Left Unsaid (2019) in der SMAC Gallery zu schaffen. Während ihres Residenzaufenthalts schöpfte Botha aus einer zutiefst persönlichen Geschichte, nachdem sie die Nachricht erhalten hatte, dass ihre Großmutter mütterlicherseits, die als Mitglied einer kleinen religiösen Sekte namens Blou Rokke (blaue Kleider) ein zurückgezogenes Leben geführt hatte, im Sterben lag. Botha arbeitete ein historisches Erbe aus Schweigen und Trauma auf, das drei Generationen von Frauen umfasste, indem sie durch die Wiederentdeckung verlorener, aber nicht vergessener, generationenübergreifender Erinnerungen über den Übergang vom Leben zum Tod nachdachte. Geisterhafte Bilder ihrer Großmutter, mit blauen Pigmenten auf weißem Stoff gemalt und wie Leichentücher gehängt, symbolisierten den dünnen Schleier zwischen Leben und Tod.

Unter den Beschränkungen der Covid-19-Pandemie und des physischen Lockdowns im Jahr 2020 vertiefte sich Botha in das Medium Aquarell sowie verdünnte Ölfarbe auf dünnem Karton, was zu einer wilden und produktiven Reihe von Porträtbildern führte. Sie zeigen eine Fülle an gespenstischen Gestalten aus vergangenen und gegenwärtigen Erinnerungen, mystische Traumgestalten, die sich in entstellte und monströse, albtraumhafte Gestalten verwandeln. Ihre neueren Gemälde, die sie zu Hause in Kapstadt anfertigte, nachdem sie mehr als drei Jahre im Ausland gelebt hatte, wirken durch den persönlichen Bezug zum familiären Erbe der Künstlerin menschlicher. Sie spiegeln die Sehnsucht nach (Wieder-)Verbindung wider, die in einer Zeit der bewussten sozialen und physischen Distanzierung nicht möglich ist.

Text: Candice Allison
Übersetzung: Anna Jäger

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