Südafrika, Literatur, 2020

Niq
Mhlongo

Foto: Jasper Kettner

Niq Mhlongo, Jahrgang 1973, wuchs in Soweto auf und studierte Anfang der 1990er Jahre an der University of the Witwatersrand in Johannesburg Afrikanische Literatur und Politikwissenschaften. Damit gehört er zur ersten Generation, für die das Erwachsenenleben nach dem Ende der Apartheid begann. Und von diesem Danach handeln auch seine Romane und Erzählungen. Das ist auch im Vergleich zu Deutschland interessant, das selbst mit einer Zäsur in der jüngeren Geschichte lebt, die die Nation nach wie vor beschäftigt. Auch in der Literatur.

Niq Mhlongo ist eine der geistreichsten und frechsten Stimmen in der literarischen Szene des neuen Südafrika, schreibt die New York Times über diesen Autor, der uns sein Land nicht erklärt, sondern erzählt.
Wie er selbst sind auch die Helden seiner Geschichten oft die ersten in ihren Familien, die an Elite-Unis studieren können. Hier treffen große Chancen auf noch größere Erwartungen, der verständliche Wunsch nach Sex und Spaß stößt auf den Druck zu funktionieren. In seinem Roman After Tears wirft Bafana sein Studium in Kapstadt hin und geht zurück nach Johannesburg, wo seine Familie davon ausgeht, er wäre fertiger Jurist. Er lässt sie in dem Glauben. Und auch Dingz, der Held des Romans Dog Eat Dog weiß, dass er auf einem dünnen Seil über zwei Welten balanciert, von denen die eine schillert und die andere sein Heimattownship ist. Niq Mhlongo schreibt aus eigener Erfahrung von den Schwierigkeiten dieser Generation, die plötzlich den Zugang zu einer Welt hatte, auf die sie nie vorbereitet wurde.

In seinem auch auf Deutsch erschienenen Roman Way Back Home kommt Kimathi aus dem angolanischen Exil zurück nach Südafrika und feiert die neue Freiheit, bis er von einem Geist in mehreren Frauengestalten heimgesucht wird. Zugleich ist es ein politischer Roman voller Fakten. Geister, Vorfahren und traditionelle Heiler können auch in anderen Geschichten Mhlongos selbstverständlich neben Problemen wie Korruption, Arbeitslosigkeit oder Kriminalität existieren, aber auch neben den neuesten Mobiltelefonen, Autos, Modemarken und Popsongs. Niq Mhlongo spart keine Themen aus, er verwebt sie miteinander. So allgegenwärtig wie die Tradition im modernen Leben, ist deshalb auch der Tod. Immer wieder stoßen wir auf Alltagsszenen, die an vielen Orten der westlichen Welt spielen könnten, bis die Situation kippt, manchmal ins Absurde, manchmal ins Brutale. Im Erzählband Affluenza trifft ein junger Mann in einer Bar auf drei hübsche Frauen, lädt sie ein, um mit ihm und seinen Freunden einen Junggesellenabschied zu feiern. Es wird ein bisschen geprotzt und geflirtet, der Whisky ist teuer, die Frauen sind sexy und selbstbewusst, die junge schwarze Mittelklasse scheint ihren Wohlstand zu feiern, bis die eine Gruppe die andere kidnappt und ausraubt. Und wenn er seine Figuren über das Faible weißer Touristinnen für Männer mit Dreadlocks sinnieren lässt, dann ist das ein Blick nach Europa, der wirklich lustig ist, wenn auch diese Story ihre Tragik hat.

2019 ist er für seinen Erzählband Soweto, Under the Apricot Tree mit dem Nadine Gordimer Short Story Award ausgezeichnet worden. Südafrika hat mit J.M. Coetzee und Nadine Gordimer zwei Literaturnobelpreisträger, die über ihre Arbeit einem weltweiten Publikum Einblicke in die südafrikanische Wirklichkeit verschafft haben. Niq Mhlongo als Vertreter einer jüngeren Generation von AutorInnen eröffnet uns eine neue Perspektive, die der jungen Schwarzen von heute.

Text: Jackie Thomae

Dog Eat Dog
Kwela Books, Kapstadt, 2004

After Tears
Kwela Books, Kapstadt, 2007

Way Back Home
Kwela Books, Kapstadt, 2013

Way back home
Das Wunderhorn, Heidelberg, 2015 (Ü: Gunther Geltinger)

Affluenza
Kwela Books, Kapstadt, 2016

Soweto, Under The Apricot Tree
Kwela Books, Kapstadt, 2018

Black Tax
Jonathan Ball Publishers, Johannesburg, 2019

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