Polen, Musik, 1973

Henryk
Gorecki

Henryk Mikołaj Górecki (geb. 1933 in Czernica, Polen; gest. 2010 in Katowice) gab 1958, zwei Jahre vor seinem offiziellen Studienabschluss, sein Debüt mit dem ersten monografischen Konzert in der Geschichte der Musikakademie in Katowice. Im Herbst desselben Jahres wurde sein Epitaphium für Chor und Instrumentalensemble auf dem Festival Warschauer Herbst mit großem Erfolg uraufgeführt. Der Dirigent Andrzej Markowski hatte das Stück für das Festival in Auftrag gegeben. 1959 fand im Rahmen dieses Festivals eine Teil-Uraufführung von Góreckis erster großer Komposition statt: Die Sinfonie Nr. 1 „1959“, op. 14. Diese radikal modernistische Komposition, für die er 1961 bei der zweiten Pariser Jugendbiennale den ersten Preis erhielt, wurde 1963 in Darmstadt bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in voller Länge uraufgeführt.

Góreckis innovative ästhetische Haltung brachte ihm Anerkennung als führende Figur der polnischen Avantgarde ein, und dieser Status wurde durch Scontri, op. 17, das 1960 beim Warschauer Herbst uraufgeführt wurde, bestätigt. Das Stück bleibt ein Höhepunkt seiner avantgardistischen Periode. Es gilt als eines der bedeutendsten Werke der polnischen Musik aus den 1960er Jahren.

Obwohl Góreckis Monologhi, op. 16 für Sopran und drei Instrumentengruppen 1960 den ersten Preis beim dritten Nationalen Wettbewerb für junge KomponistInnen gewann, der vom polnischen KomponistInnenverband ausgerichtet wurde, fand die Uraufführung erst im April 1968 in Westberlin statt. Der serialistische Monologhi wurde von Joan Caroll (Sopran) und dem Ensemble für Neue Musik Freiburg unter Arghyris Kounadis aufgeführt. Trotz seines fulminanten Debüts in jungen Jahren und seiner konsequenten Teilnahme am Warschauer Herbst gelang es Górecki erst mit der Uraufführung von Monologhi in Westberlin, seine Musik international bekannt zu machen. Er war von Natur aus ein eher introvertierter Mensch, und wie sein Biograf Adrian Thomas anmerkt, war sein Werk weder groß noch leicht auf die Bühne zu bringen.

1969 erhielt Górecki eine Einladung zu einem einjährigen Berlin-Aufenthalt im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP), nahm sie aber erst 1973 an. Der Komponist war Peter Nestler, dem Leiter des Berliner Künstlerprogramms, von Otto Tomek, Abteilungsleiter Neue Musik beim Westdeutschen Rundfunk in Köln, empfohlen worden, der regelmäßig den Warschauer Herbst besuchte und den die Qualität von Góreckis Werk überzeugte. Während seines Aufenthalts in Berlin litt Górecki an einer Nierenerkrankung und musste sich im Krankenhaus einer Operation unterziehen. Diese Krankheit behinderte seine kompositorischen Tätigkeiten und verschlimmerte seinen ohnehin schlechten Gesundheitszustand. Das erklärt auch, warum Górecki zwischen 1973 und 1974 nur ein einziges Orchesterstück vollendete: Trzy tańce (Drei Tänze), op. 34. Während seines Aufenthalts in Berlin begann er jedoch mit der Arbeit an seinem nächsten Großprojekt: Symfonia pieśni żałosnych (Dritte Sinfonie, Sinfonie der Klagelieder), op. 36, die später zu einer internationalen Sensation und zu einer der bekanntesten Kompositionen des zwanzigsten Jahrhunderts werden sollte. Górecki stellte sich das Werk als orchestralen Liederzyklus oder Liedersinfonie vor. Kurz vor seiner Abreise nach Berlin hatte er begonnen, Text- und Melodiematerial für seine Komposition zu sammeln. In Berlin erzählte er einem Freund beim SWR Sinfonieorchester Baden-Baden von seinen künstlerischen Plänen und erhielt bald einen offiziellen Auftrag des SWR für das Werk.

Die Symphonie wurde 1977 beim Festival in Royan uraufgeführt, aber von der deutschen Kritik wegen ihrer minimalistischen Einfachheit und radikalen Abkehr vom westlichen Avantgardismus abgelehnt.

Text: Monika Żyła

Übersetzung: Anna Jäger

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